Dienstag, 28. Februar 2017

19./20. September 2015; Flug von München via Dubai nach Entebbe, Uganda

An einem bewölkt-kühlen Samstag machen wir uns also auf den Weg zum Ausgangspunkt unserer heiß ersehnten Reise durch Uganda, Ruanda und Tansania - Entebbe. Doch gut Ding will ein wenig Weile und und ein gerüttelt Maß an Muße haben: am Abflughafen in München sind wir erst mal mit Gabi verabredet, auf ein - auf beiden Seiten - traditionelles Urlaubsanfangsbier. Voller Vorfreude – auf das Bier und unsere gemeinsame Tour – fallen wir uns vor dem Airbräu in die Arme und lassen uns danach im Freiluftbereich der Gaststätte nieder, um auf unsere bevorstehende Reise gebührlich und genüsslich anzustoßen. Aaah, jetzt kann der Urlaub so richtig beginnen!

Aufgeregt quatschen wir über unsere Erwartungen, über vergangene Reisen und das, was wohl wirklich auf uns zukommen wird und stellen fest, dass die Zeit schon jetzt, vor dem langen Flug, viel zu schnell vergeht. Ein letzter Schluck, und schon müssen wir los. Bald darauf sitzen wir im Flieger, machen es uns so bequem wie eben möglich und fliegen unserem ersten Teilziel, Dubai, entgegen, das wir, meinem Gefühl nach, relativ schnell erreichen. Die Betonung liegt auf relativ. Meine Güte, wie gerne bin ich früher geflogen! Alles war so aufregend, so ungewohnt, so spannend. Heute hingegen, nachdem ich, die geflogene Gesamtstrecke betrachtet, mehrmals um die Erde gejettet bin, nervt mich das ganze Prozedere und Rumgesitze zunehmend, auch wenn die Bordunterhaltung, verglichen mit der meiner Jugendzeit, qualitative Quantensprünge gemacht hat.

Hibbelig wische ich auf meinem, im Stuhl des Vordermanns eingelassenen Display rum, picke mir einen Film raus, stoppe diesen wieder, als das Abendessen serviert wird, und starte ihn erneut, als endlich Ruhe an Bord einkehrt. Das cineastische Machwerk zieht an mir vorüber, beschleunigt die abzusitzende Zeit auf ein erträglich Maß, ein zweiter Film muss trotzdem noch herhalten, dann endlich legt sich, gegen dessen Ende, die Watte des Sinkflugs auf meine Ohren. Bald darauf landen wir in Dubai, stauen uns aus dem Flieger, hinein in die nächste Wartezone, durch zahlreiche Kontrollen hindurch. Und da biegt plötzlich Erika ums Eck, die wir, wie gesagt, letztes Jahr schon kurz in Upington kennenlernen durften. Wir begrüßen uns, Gabi und Erika ziehen nochmal los, um zollfreien Alkohol zur Abwehr der vielen, allgegenwärtigen Bazillen einzumarkten, die uns auf unserer Tour sicher heimsuchen werden (;-) ), dann geht es weiter: unser Flug von Dubai nach Entebbe wird aufgerufen. Boarding, das übliche Geschlichte und Gestopfe mit dem viel zu üppigen Bordgepäck, das von manchen Personen erstaunlicherweise anstandslos mitgeführt werden darf, das Geräume, das Gedrängel, die Sicherheitsinstruktionen, Getränke, Essen, Abräumen, Andrang auf den Toiletten, Ruhe. Wie immer eben. Und – auch wie immer – scheine ich der einzige Passagier zu sein, der nicht schlafen kann. All die Räumer, Rangler, Drängler und Wusler sind wie auf Kommando plötzlich in Schlaf gesunken, kuscheln sich in den unmöglichsten Stellungen in ihre Sitze, schnarchen und röcheln mit offenen, glücklich sabbernden Mündern vor sich hin, bombenfest, durch nichts aus ihrer schlafenden Ruhe zu bringen. Wie machen die das nur? Ich hingegen winde mich schlaflos auf meinem Sitz, schiele zu Heinz rüber (der natürlich auch schläft) und frage mich, wie ich diese fünf Stunden rumkriegen soll, ohne wahnsinnig zu werden. Irgendwann, und auch das ist wie immer, schmerzt mein Nacken, ich schwitze und friere gleichzeitig, bin total entnervt und stelle dann, meinen Gefühlen zum Trotz, erstaunt fest, dass ich wohl doch geschlafen haben muss und mich darob sogar ziemlich erholt fühle...

Gut gelaunt beobachte ich daraufhin das Erwachen der anderen Passagiere, verspeise mein Frühstück und mache mich langsam bereit, endlich diesen Flieger zu verlassen. Wenig später landen wir in Entebbe, wo wir den zuständigen Behörden nur noch ein Visum aus den Rippen schnitzen und unser Gepäck aufsammeln müssen, bevor der Urlaub endgültig beginnen kann. Ja, dass das alles nicht Ruckzuck passiert sein wird, ist uns klar, als wir uns wohlgemut an der langen Einreiseschlange anstellen, dass es sich aber so kompliziert und langwierig gestaltet, übersteigt dann doch unsere schlimmsten Befürchtungen...

Schon bei der Vorkontrolle geht es äußerst zäh voran, da nur wenige Schalter geöffnet haben, und die wenigen Beamten, die hier ihren Dienst versehen, offenbar besonders penibel zu Werke gehen. Im Zeitlupentempo werden Pässe durchgeblättert, Gesichter verglichen, unsinnige Fragen gestellt, hin und wieder ein Vorgesetzter in einem anderen Büro zum weiteren Vorgehen befragt, worauf der vorher erarbeitete Faden verloren geht und das Geblättere und Vergleichen von vorne beginnt. Tapfer stauen wir uns durch diese zeitraubende Prozedur, bis auch wir endlich alle durchblättert, verglichen und abgenickt zu den Visabeantragungsschlangen durchgewunken werden, wo wir uns sicherheitshalber in drei Parteien aufsplitten. Und jetzt geht der Spaß erst richtig los. Wir haben nämlich den ungeheuerlichen Wunsch, nicht nur ein Uganda-Visum erhalten zu wollen, sondern beantragen unverschämterweise ein für Uganda, Ruanda und Kenia gleichermaßen gültiges, das sogenannte Ostafrika-Visum.

Gabi kommt in ihrer Warteschlange am schnellsten voran und beißt mit ihrem Ansinnen gleich mal auf Granit. Ein Ostafrika-Visum? Hier? Nein! Gabis Grenzbeamtin zeigt sich halsstarrig und verweigert die Ausstellung des gewünschten Visums; ist nicht, haben wir nicht, gibt’s nicht. Mit Engelszungen redet Gabi auf die widerspenstige Amtsperson ein, flötet, doziert, erklärt. Es bleibt beim Nein. Gabi verliert die Geduld und wird insistent, was gar nicht gut ankommt. Die Visatante fühlt sich angegriffen, in ihrer Ehre gekränkt, und ist deshalb kurz davor, Gabi sogar ein einfaches Uganda-Visum zu verweigern, als Heinz und ich in unserer Schlange an der Reihe sind. Nach freundlichen Begrüßungsfloskeln formulieren nun auch wir unser Ansinnen und stoßen auf damit, nein, nicht auf Granit, sondern auf beinahe atemlose Überforderung. Heftig schnaufend, mit angstgeweiteten Augen, verweist uns „unser“ Visafuzzi sofort auf die Schlange rechts neben uns, genau dorthin, wo sich Gabi gerade mit der unwirschen Lady streitet.

Oje... Seufzend wechseln wir rüber, winken Erika aus der dritten Schlange dazu und fordern nun das Visa-Glück mit einem hoffnungsfrohen Anlauf unsererseits heraus: erneutes Begrüßungsgesülze, erneute Erklärungen - erneute Weigerung. Wieso wir ein Ostafrika-Visum bräuchten, wenn wir doch nur noch nach Uganda und Ruanda, nicht aber nach Kenia wollten, was ja inkludiert wäre. Gabi und ich reden daraufhin zu zweit auf die gute Frau ein, die sich jedoch nach wie vor sperrig gibt. Doch plötzlich steckt einer ihrer Vorgesetzten neugierig, offenbar angelockt durch die ausufernde Diskussion, seinen Kopf durch die Glastür seines Büros, lauscht kurz interessiert, und zischt dann der ihm untergebenen Beamtin was zu, woraufhin diese ihrem Chef eilfertig in sein Office folgt. Minuten später erscheint sie wieder auf der Bildfläche, einem begossenen Pudel nicht unähnlich.

Um Contenance ringend, versucht sie ihr Gesicht zu wahren: es wäre alles überhaupt kein Problem mit unserem Ostafrika-Visum, wäre nur die Dame (Gabi) nicht so frech geworden! Gabi entschuldigt sich daraufhin äußerst wortreich und sehr versöhnlich, schiebt ein Missverständnis und ihr mangelhaftes Englisch vor (obwohl es alles andere als mangelhaft ist), wir alle bedauern unisono, leider nicht die Zeit zu haben, auch noch das wunderschöne Kenia besuchen zu können, schwärmen von unserer bevorstehenden Reiseroute im noch wunderschöneren Uganda und schieben nach, dass sie, die kundige Visalady, uns als DIE Grenzbeamtin genannt wurde, die als einzige dieses komplizierte Ansinnen zu erledigen in der Lage wäre. Dieses Konglomerat aus positiver Kompetenzerwartung, uns selbst herabwürdigender Entschuldigung bei gleichzeitiger Anerkennung der Schönheit Ostafrikas im Allgemeinen und Speziellen nebst der Betonung der schon recht unverschämten Komplexität unseres Ansinnens (und der offenbare Tadel ihres wieder in seinem Büro sitzenden Vorgesetzten) entfalten nun seine volle Wirkung. Gebauchpinselt sammelt die ehemals verstimmte Beamtin unsere Pässe ein, nickt uns wohlwollend zu, verschwindet erneut im Büro ihres Chefs und – wenige Minuten später -  erhalten wir unsere Dokumente zurück; korrekt gestempelt, mit einem freundlichen Lächeln und geradezu überschwänglichen Wünschen zu einer guten, schönen und sicheren Reise. Tja, das ist Afrika! Alles geht, alles lässt sich bewerkstelligen, solange man nur insistent genug ist und nebenbei die erwarteten Formen wahrt, die stellenweise erheblich von europäischen Gepflogenheiten abweichen können. Erheblich? Nein, nicht wirklich. Eigentlich ist es wie bei uns, nur ein bisschen intensiver, wortreicher, komplizierter, verwobener, mit ganz eigenen Befindlichkeiten gespickt. Wenn man erfühlt, wo diese jeweiligen Besonderheiten im Umgang liegen, dann klappt fast alles – wie soeben wir erfolgreich bewiesen haben...

Glücklich über die gelungene Visa-Beschaffung entfernen wir uns rasch und sehr erleichtert aus dem Bereich der versammelten Beamten, bevor doch noch einem der Herrschaften der Formulare was Unliebsames einfällt, und machen uns auf, unser Gepäck zu suchen, das mittlerweile schon lange vom Band gefallen sein muss – oder immer noch rumkreiselt... Nein, super, da steht es schon, in der inzwischen menschenleeren Gepäckhalle – und es ist vollzählig! Rasch greifen wir uns unsere Taschen und hechten hinaus in den Empfangsbereich, wo sich Annette und Jochen bereits seit geraumer Zeit die Beine in den Bauch stehen. Großes Hallo, gefolgt von einem „Ja, wo wart ihr denn so lang?“. Eine Frage, die Heinz und mich ab der ersten gemeinsamen Reise mit Annette und Jochen begleitet – diesmal aber können wir echt nichts dafür! Während wir, uns umarmend, zum Parkplatz gehen, erzählen wir von unserer Visa-Odyssee, und wir sitzen schon lange in den Autos, um unserem Nachtquartier zuzustreben, als wir noch immer am Erzählen sind. Kurz vor unserem Eintreffen im Entebbe Backpackers aber sind wir doch mit unserem Gesprudel fertig und können uns endlich voll und ganz unserer Ankunft erfreuen.

Wir kurven in das Gelände dieser dem Flughafen sehr nahen Unterkunft, die, umgeben von einer hohen Mauer, eine gewisse Sicherheit vermittelt, ohne gefängnisartig zu wirken. Auch das in grellen Orange- und Pinktönen gestrichene Hauptgebäude, vor dem einige jugendliche Rucksackreisende entspannt rumfläzen, trägt zu einem angenehmen Willkommensgefühl bei. Und als wir dann, in einem lauschigen Eck an der Mauer, unser wohlvertrautes Equipment erspähen, fühlen wir uns schließlich endgültig angekommen: Annette und Jochen haben bereits alles aufgebaut – den Klapptisch, die Campingstühle, die Küchenkisten und alle Zelte stehen, auch die unsrigen. Wie zuvorkommend und schön ist das denn! Strahlend danken wir unseren fleißigen Freunden, die uns damit jeglicher Eile enthoben haben. Entspannt zerren also wir unser Gepäck aus den Autos, werfen uns in dem Klima angepasste Klamotten, lassen uns dann alle zu einem Willkommens-Drink in die Klappstühle sinken und nehmen uns gemütlich Zeit, das Gefühl des Angekommenseins zu genießen. Nebenbei tauschen wir natürlich Neuigkeiten aus, berichten über dies oder jenes, doch in erster Linie ergehen wir uns in dem wonniglichen Bewusstsein, wieder in Afrika zu sein – mit Haut und Haaren, mit Augen und Ohren. Unsere geplagten Winterfüße atmen vergnügt in luftigen Sandalen, jauchzende Zehen kämpfen dabei fröhlich mit zudringlichen Ameisen, eine warm-feuchte Spätnachmittagsbrise umschmeichelt wohltuend unsere blassen Wangen, in einem türkis gestrichenen, von Rostflecken durchsetzten Zierbrunnen stehen Hagedasch-Ibisse und geben ihr typisch atonales Krächzen von sich, in dem Bäumen hoch über uns kreischen Bindenlärmvögel, auf der Grundstücksmauer tummeln sich tarnfarbene Eidechsen und unfassbar blaue Agamen – und wir sind da – mittendrin!

Erst als sich die Abenddämmerung auf uns hernieder senkt, können wir uns von all dem losreißen – der Urlaubsalltag winkt... Wir richten unsere Zelte häuslich ein, sortieren unser Gepäck nach den Erfordernissen des Busches, der uns morgen hoffentlich gnädig empfangen wird, bereiten gemeinsam unser Abendessen zu und geben uns anschließend mit wohliger Vorfreude unserer ersten Nacht in Uganda hin...








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